Die angebliche Web 2.0 Blase
Es gehört ja zu einer der Lieblingsbeschäftigung deutscher Journalisten. Man jubelt eine Sache in die Höhe um kurz danach diesen selber errichteten Podest unter dem Johlen der Zuschauer wieder einzureißen – hochjubeln und niedermachen. Gerade ist die sogenannte Web 2.0 Blase „dran“. Ich sehe das ein wenig anders
Blase, welche Blase?
Gerne wir die aktuelle Situation mit dem Boom der New Economy zur Jahrtausendwende verglichen. Damals gab es tatsächlich eine Blase die in sich zusammenfiel. Die Aktienkurse befanden sich weit ab jeder Realität. es galt die Regel: Geld beschaffen, groß werden, Geld verdienen. Es war ein Spiel und es war von Anfang an klar, dass Chancen und Risiken enorm waren. Funktioniert hat es z.B. bei Amazon (welche ihr Wachstum anfänglich mit enormen Verlusten bezahlen mussten). Tatsächlich hat dieses Spiel aber funktioniert. Es gab Gewinner: u.a. Ebay, Amazon, Google. Wer in diese Firmen investriert hatte, kann sich heute freuen. Wer in Pixelpark und Biodata Geld gesteckt hatte – Pech.
Heute ist es ein wenig anders. Die Anfangshürde zur Umsetzung einer Idee ist viel kleiner. Die Web 2.0 Firmen beschaffen sich nicht mehr 100 Mio. EUR Risikokapital. Sie fangen einfach an und probieren einige Ideen aus. Vielleicht 10% der Ideen funktionieren. Kein Problem, da die Investition gering waren. Aktuelle Web-Projekte kann man in 1-2 Monaten umsetzen. Wenn es keinem gefällt, wird es wieder eingestampft. Welche Blase soll da platzen?
Der Holtzbrinck Deal
Aber, werden nun einige Schlauberger sagen, was ist denn mit dieser komischen StudiVZ Geschichte. Ging es da nicht um enorm viel Geld für eine an sich einfache Idee. Jein. Holtzbrinck hat mit StudiVZ ja erstmal Adressen von Studenten gekauft. Eine gut gepflegte Adresse kostet auf dem Markt so 2-3 EUR (falls sich jemand mal gefragt hat, wieso man an vielen Bahnhöfen für das Ausfüllen einer Postkarte ein Auto „gewinnen“ kann: That’s why). Rechnet man noch das Wachstum ein und die Tatsache, dass Holtzbrinck-Ventures eh‘ schon Geld in den Laden gesteckt hatte, war der Preis schon ok. Ob der Deal sinnvoll war, kann ich natürlich nicht beurteilen.
User Generated Content
„Die armen, armen User. Die werden doch voll ausgebeutet. Sie erzeugen den Inhalt und andere kassieren“.
Zu meinen Pixelpark-Zeiten sind wir mit dem Spruch Content->Community->Commerce unterwegs gewesen. Sprich: Schaffe Inhalte, sammle eine Community und dann kannst du Umsatz machen. Das Problem bei der Geschichte war, dass es schwierig und teuer war, den richtigen Inhalt zu erzeugen. Also war es nur konsequent es umzudrehen: Community->Content->Commerce. Das hat allerdings einen kleinen Haken: Die User sind keine armen ausgebeuteten Geschöpfe mehr.
User haben Macht! Die E-Mail eines frustrierten T-Com Mitarbeiter schafft es zu SpiegelOnline und zwingt den Vorstandsvorsitzenden dazu, eine Antwort zu seiner Rechtfertigung zu schreiben (am Rande: Die Blog-Einträge eines genervten selbstständigen Projektleiters über seinen Ärger mit der T-Com bei seinem Umzug bringen diesem eine direkte Reaktion aus der Führungsetage ein). Die Firmen sind bei solchen Themen extrem nervös und ängstlich. Wenn Firmen auf User Generated Content setzen bedeutet dies automatisch auch, dass sie viel stärker kontrolliert werden. Und diese Offenheit erzeugt Druck. Frosta lässt
jeden in seine „Kochtöpfe“ schauen. Und siehe das: McDo startet eine riesen Werbekampagne bei denen „Kunden“ sich den Produktionsprozess anschauen dürfen „Jetzt weiß ich, dass der Salat für meinen Burger frisch vom Feld kommt“ – Ach …
Wie auch immer. Man kann die ganze Web 2.0 Geschichte vielleicht als Modewelle sehen die wieder verebben wird. Aber eine Blase die platzen könnte ist es sicherlich nicht.
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Ob Journalisten es auch mal merken, dass sie sich langsam aber sicher mit ihrer Art des Schreibens unglaubwürdig und sogar lächerlich machen. Sie übertreiben immer, einen gewöhnlichen Schneefall gibt es schon lange nicht mehr und wenn er dann doch kommt, ist es ein Schneechaos.
Genauso auch hier, man überspitzt etwas, um es wenig später niederzumachen, meist stimmt beides nicht.
Hmmm… ich sehe nicht, dass die Journallie die Sache schlecht-redet. Im Moment sehe ich eher, dass von vielen so Sachen wie „Zweites Leben“ eher schön geredet und als neue Heils (Geld)bringer hochgejubelpersert werden.
Klar wird die Blase 2.0 platzen. Dafür wird von VCs schon wieder viel zu viel Geld in unseriöse Firmen gesteckt, nur aufgrund von Gier und heisser Luft. Und diese Blase wird so platzen wie die erste Blase, wenn auch etwas subtiler und mit geringeren Kollateralschäden. Die Mechanismen und Zeichen sind die gleichen. Aber egal, mir hat damals (Anfang 99) ja auch niemand geglaubt, als ich das grandiose Platzen der Web 1.0 Blase prophezeite…
Nur das „wann“ ist noch etwas unsicher. Ich rechne mit 8-30 Monaten.