Preisfindung
IT-Berater bekommen einen niedrigeren Tagessatz, als „normale“ Berater. Das hat vermutlich etwas mit dem Sonnenstand zu tun. Oder damit, dass wir IT’ler einfach schlecht verhandeln können. Prinzipiel gibt es erhebliche Unterschiede. Übliche Tagessätze schwanken locker zwischen 250 und 1250 EUR.
Ich habe eine wichtige Lektion zu dem Thema glücklicherweise recht früh gelernt. Es war irgendwann um 1990. Die damals noch recht junge Softwarefirma Contempo (bestehend aus einem Freund und mir) hat als Sub-Sub-Subauftragnehmer einen Auftrag einer großen Firma (>20.000 Mitarbeiter). Die Aufgabe ist fast lächerlich und ich kalkuliere 8 Stunden Arbeit ein. Die nachfolgenden Instanzen packen entsprechend drauf.
Nach ein paar Tagen kam ein Anruf des Kunden: „Also, wir kennen Sie ja schon. Und wir sind mir der bisherigen Arbeit auch sehr zufrieden. Aber ich kann Ihnen den Auftrag nicht geben. Das Angebot ist unseriös“ (Verdammt, haben die Vermittler zuviel draufgeschlagen) „Sie sind mehr als doppelt zu preiswert wie die Gegenangebote“.
Nun, es gab eine Nachbesprechung. Wir haben das Angebot erhöht – und den Zuschlag bekommen. Ergebnis: Durch meine kleine Applikation sparte die Firma monatlich über 20.000 EUR ein.
Damit hatte ich die erste und wichtigste Preisfindungsregel gelernt:
Regel 1: Es kommt nicht darauf an, wieviel mir meine Arbeit wert zu sein scheint. Es kommt darauf an, wieviel die Arbeit dem Kunden wert ist
Es gibt noch eine zweite Regel die nicht so offensichtlich ist.
Regel 2: Wer mehr kostet, wird eher ernst genommen
Das ist natürlich logisch nicht unbedingt einfach zu erklären, hat aber viel mit Psychologie zu tun. Der Berater-Guru, der einen Tagessatz von 2000 EUR verlangt hat alleine durch diesen Tagessatz den Ruf, gute Arbeit zu leisten. Wie sonst kann er eine so hohe Summe fordern. Er ist ja offenbar so gefragt, dass er entsprechende Forderungen aufstellen kann. Das ist also ein wenig die Umkehrung von „Was nix kostet, taugt auch nix“.
Je mehr Geld jemand kostet, je mehr Gewicht hat seine Meinung. Das ist weder gerecht noch hilfreich. Aber niemand hat gesagt, die Welt sei gerecht.
Auf der anderen Seite wirken sich Fehler entsprechend stark aus. Wer 300 EUR kosten und Mist baut: War ja klar. Wer 1300 EUR kostet und Mist baut: Damit ist der Auftrag beendet.
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Mir fällt gerade auf, dass ich kürzlich – in einer kritischen Projektphase – auch das starke Bedürfnis hatte, einen sehr teuren Freelancer zu nehmen, anstatt den fast halb so Teuren anzustellen. Einfach um das Gewissen zu beruhigen, ja alles menschenmögliche für das Projekt getan zu haben. Habe es mir nach einigem Bedenken aber dann doch anders überlegt. Mal schauen, wie ich nach dem Projekt darüber denke (Hoffentlich ist, was wenig kostet, in dem Fall viel wert!)
Zu diesem Thema gibt es eine schöne Legende: Ein bereits pensionierter Ingenieur, seines Zeichens Fachmann auf dem Gebiet der Maschinenschwingungen, wurde zur Hilfe gerufen, um ein Problem zu lösen. Jeder wusste, dass eigentlich nur es dieser Problem in den Griff kriegen konnte. So war er vor Ort, schaute sich die Maschine an, nahm ein Stück Kreide, machte an einer bestimmten Stelle ein Kreuz und sagte: „Dort genau an dieser Stelle müssen Sie verbessern“. Er schrieb eine Rechnung über 1.000.001 Euro. Auf die Frage, warum diese Summe, antwortete er: „1 Euro für das Stück Kreide und 1.000.000 Euro dafür, dass ich das Kreuz an die richtige Stelle gesetzt habe“.