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Projekte sind kein Schnellboot
Was unterscheidet eigentlich Linien- von Projektarbeit? Zuerst schwebt einem vermutlich so etwas wie: „Linienarbeit ist starr, unflexible usw. und Projektarbeit ist schnell und flexibel“ vor. Das war schließlich die Motivation für die Einführung von Projektarbeit: Kleine, schlagkräftige Einheiten.
Dummerweise trifft das für viele kritische IT Projekte gar nicht zu. Projekte, an denen zeitweise 100 Beteiligte aus 5 verschiedenen Firmen zusammen arbeiten können beim besten Willen nicht klein und schlagkräftig genannt werden. IT Projekte sind heutzutage so komplex, dass die Grenzen zwischen Linie, Projekt- und Produktentwicklung mittlerweile fließend sind.
Das hat dramatische Einflüsse auf die Arbeit eines Projektleiters. Viele Projektleiter sind der Meinung sie seinen in der Lage, wichtige Entscheidungen im laufenden Projekt zu fällen. Sie denken, sie fahren mit einem Schnellboot durch das Projektgewässer und umkurven munter alle auftauchenden Hindernisse. Nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt …
Projekte gleichen heute eher großen Tankern. Entscheidungen haben nicht sofortige Auswirkungen, sondern können nur langsam umgesetzt werden. Sprich, wenn der Eisberg in Sicht ist, ist es zu spät. Besser, man schaut sich vorher den Wetterbericht an und sucht sich eisfreies Fahrwasser.
Langer Rede, kurzer Sinn: Vorbereitung ist alles.
Aber moment! Wird nicht ständig von agilen Methoden gesprochen?
Heißt es nicht immer wieder, flexibles Anforderungsmanagement, flexibles Projektmanagement, flexibles WasAuchImmer sei der Schlüssel zum Erfolg?
Sollen wir jetzt doch wieder zurückkehren zu dem klassischen Wasserfallmodell?
Nein, natürlich nicht. Tatsächlich müssen gerade für aktuelle Projektmethoden die einzelnen Beteiligten hervorragend vorbereitet sein. Man kann moderne Projektarbeit vielleicht mit Musikern vergleichen, die sich spontan zum musizieren treffen. Je besser die einzelnen Musiker sind, desto weniger Absprache ist notwendig. Nichts ist besser als ein neues Bandmitglied welches den Raum betritt und sagt „fangt an, ich steig dann mit ein“. Und nichts zerrt mehr an den Nerven als eine Band die kein Stück zu Ende spielen kann weil ständig jemand abbricht wenn irgendeine Kleinigkeit nicht richtig klappt.
Gute Vorbereitung und Spontanität schließen sich nicht aus, ganz im Gegenteil. Erfahrung und Vorbereitung erlauben es erst, auf neue Situationen sinnvoll zu agieren an statt panisch zu reagieren, Eben, weil die Situation gar nicht wirklich neu ist, sondern schon im Vorfeld beispielsweise im Rahmen eines Risikomanagements durchgespielt wurde.
Oder anders ausgedrückt: Wer gut vorbereitet ist, hat keine Furcht vor dem Eisberg.
Er weiß vorher wie man ihm aus dem Weg geht, wie man ihm wegsprengt und wann es Zeit ist, die Rettungsboote zu besteigen…
Was man tun kann:
Zum Projektstart sicher stellen, dass alle Beteiligten die notwendigen Fähigkeiten sowohl technische wie auch methodisch besitzen. Evtl. im Projektplan explizit Zeit für Schulungen einplanen (vielleicht nicht unbedingt in den Plan, den der Kunde bekommt …)
Risikomanagement betreiben! Schönwetterprojektmanagement kann jeder. Die Kunst liegt darin sich schon im Vorfeld – wie auch ständig im Projekt – zu fragen, was kann schief gehen? Wie sieht mein „Plan B“ für diesen Fall aus?
Das Projektziel klar definieren. Eine Kick-Off Veranstaltung sollte nicht als reine „Motivationsrunde“ missverstanden werden. Es ist eine Chance, gemeinsam mit allen Beteiligten das Projektziel zu definieren. Und, noch wichtiger, es ist eine Chance, das Ziel auch in Frage zu stellen! Angenommen, Sie seien beim TollCollect Kick-Off dabei gewesen. Der Moderator spricht davon, in nur 12 Monaten ein komplexes absolut neuartiges System einzuführen. Was hätten Sie gedacht? Vermutlich hätten Sie aus dem Bauch heraus schon 12 Monate für die Testphase veranschlagt, oder?. Evtl. hätten Sie über mehrere Phasen statt eines „Big- Bangs“nachgedacht. Ich habe keine Ahnung, ob es eine derartige Kick-Off Veranstaltungen bei TollCollect gegeben hat. Aber ich bin mir sicher, dass falls es sie gegeben hat 80% der Anwesenden ähnlich gedacht haben (minimales Sachverständnis vorausgesetzt). Was wird aber wohl passiert sein? Es gab eine Rede die mit Vokabeln wie „große Herausforderung“, „extrem sportliches Ziel“ usw. gefüllt war. Niemand hat hingehört („war ja eh‘ nur der übliche Motivationsblaba“) und Bedenken erst später in der Teeküche geäußert…
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