Guerilla Projektmanagement

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Der Kettenhund

Der Projektpartner war viel größer als wird – sowohl vom Umsatz, als auch von Standorten und Mitarbeitern. Entsprechend war das Projekt für uns groß – für den Projektpartner eher klein. Ich war der zuständige Projektleiter von unserer Seite.

Leider hat der Projektpartner so ziemlich jeden Projektplan gerissen und eine ziemlich unterirdische Qualität abgeliefert. Darüber hinaus durften sich in 6 Monaten 3 Projektleiter versuchen.

Kurz nachdem der 4. Projektleiter an Bord kam, kündigte sich jemand an, der diesen Projektleiter „coachen“ wollte. Klang ja erstmal nett und wir machten einen Termin aus.

Der Termin verlief dann ungefähr so:
Ich: „Herzlich willkommen bei uns. Ich freue mich, dass es so kurzfristig geklappt hat. Ich schlage vor, dass w…“

Er: (mich unterbrechend) „Jetzt passen Sie mal auf! Ich komme hier extra hin, weil unser Kunde ein Problem hat. Dafür habe ich heute extra das Flugzeug genommen. Wir wollen dem Kunden helfen. Wenn ich mir hier Ihre Agenda anschaue, sehe ich nicht, dass Sie das Problem lösen wollen“
Ich: „Hmm, das ist der Agendavorschlag ihres Kollegen den ich einfach übernommen habe…“
Er: „Na, dann fangen Sie halt mal an“
(15 Minuten später)
Er: „So, wir brechen das jetzt hier ab. Das macht ja keinen Sinn mit Ihnen. Ich will jetzt sofort ihren Vorgesetzten sprechen“
(der kommt natürlich gerne – war ja nur selber in einem wichtigen Termin)
Er: „Ihr Projektleiter wirft uns hier vor, wir würden Fehler machen. So eine Unverschämtheit ist mir in 20 Jahren nicht untergekommen. Ich verlange, dass Sie mir bis Morgen 09:00 Uhr eine Liste mit diesen angeblichen Fehlern schicken“
Mein Chef: „Vielleicht wenden Sie sich einfach an Ihren Kollegen. Mit dem hat der Guerilla Projektleiter doch gestern Vormittag genau diese Liste durchgesprochen die wir aufgestellt haben.“
Er: „Ach… Na… Also wir reisen jetzt wieder ab“.

Seit dem sind mir noch einige Kettenhunde begegnet. Aber meine erste Begegnung werden ich wohl so schnell nicht vergessen.

Was sind Kettenhunde? Kettenhunde kommen zum Einsatz, wenn sämtliche Fakten gegen einen sprechen. Argumente sind keine mehr da, aber Fehler zugeben (und viel Geld verlieren) will man auch nicht. Also holt man sich jemanden, der die Diskussion von der Sachebene holt und auf eine emotionale Ebene bringt – Argumente gibt es ja keine mehr.

Hat sowas Erfolg? Nun, um den Kunden aus dem obigen Beispiel zu zitieren (2 Monate nach dieser ersten Erfahrung): „Also ich habe ihm jetzt die Abnahme unterschrieben – aber ich weiß nicht, wieso. Es läuft ja eigentlich gar nicht“.

Wie kommt man gegen Kettenhunde an? Bevor ich die theoretische Antwort gebe, hier die traurige Wahrheit: nur sehr, sehr schwer. Diese Jungs sind darauf geschult, dich zu reizen. Sie sind dabei wirklich gut. Eben noch ist man absolut gewillt, sich nur an der Fehlerliste zu orientieren und 10 Minuten später will man ihm seinen Kaffeelöffel in die Nase treiben. Viele kenne ja den oftmals gewöhnungsbedürften Verhandlungsstil mancher US Amerikaner („Ich sorge dafür, dass Du rausfliegst. Du bekommst hier kein Bein mehr an den Boden. Ich rufe morgen Deinen Chef an“) – aber die sind nix gegen gut ausgebildete Kettenhunde.

Jetzt die theoretische Antwort:
Kettenhunde haben nur ein Ziel: von den Fakten ablenken. Sie wollen die Sachebene unter allen Umständen verlassen. Also muss man unter allen Umständen selber einfach stur bei den Fakten bleiben – und das ist sauschwer.
Daneben sollte man sich klar machen, dass diese Leute keine Monster sind (die tun nur so) – sie machen nur ihren Job. Je mehr er mich als seelenlosen Gegner sieht, desto einfacher wird sein Job. Wenn es mir gelingt, eine positive emotionale Verbindung mit ihm aufzubauen, fällt es ihm umso schwerer, seine Rolle durchzuhalten. Doch Vorsicht: Je mehr man über sich selber preis gibt, desto mehr Angriffsfläche liefert man.
Wenn er z.B. weiß, dass man Frau und Kind hat, wird er unter Garantie Sätze wie „Wenn sie Zuhause so sind wie hier, wird ihr Kind ja in spät 5 Jahren drogenabhängig sein und im Knast sitzen“ raushauen…

Hier sind kleine, vorsichtige Schritte angebracht.

Es gibt übrigens noch eine 2. Lösung die witzigerweise oft übersehen wird: Einfach vom Kunden/Projektpartner ultimativ verlangen, dass der Mensch abgezogen wird und absolut jeden Kontakt mit dem Kettenhund verweigern.

2 thoughts on “Der Kettenhund

  • dosron sagt:

    Auch mal gehört: „Ich sorge dafür das Sie unter Brücken schlafen!“
    (Schöner Beitrag übrigens)

  • zuerst mal ein „Hallo“ ist schließlich mein erster Kommentar hier. Ein Kettenhund kommt nur zum Einsatz wenn Spannung in der Luft hängt – sein kommunikatives Prinzip ist, alle negatriven Emotionen von sich weg zum Gegenüber zu schieben. Das erzeugt beim Gegenüber den Leidensdruck „alles zu unterschreiben“ um die Situation zu beenden. Daher ist betonte Sachlichkeit und ein inneres Mantra, „das sind nicht meine Spannungen“ ein gutes Mittel.

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